Zukunft des Musikzweiges

Ein kleines Gedankenexperiment
von Brian Zube

Du bist Schulleiter*in eines Gymnasiums, dessen Schulleben nicht nur, aber in besonderem Maße von dessen Musikzweig und den damit verbundenen Konzerten, Musicals und Proben(fahrten) geprägt ist – also von in Erinnerung bleibenden Momenten und einem ganz besonderen Zusammengehörigkeitsgefühl (vom pädagogischen Wert der Förderung musikalischer Fähigkeiten mal ganz zu schweigen).
Der Musikzweig macht diese Schule nicht per se besser als andere Schulen, aber er zeichnet sie aus, gibt ihr seit Jahrzehnten einen unverwechselbaren Charakter.

Besondere Angebote erfordern besonderen Einsatz und so ist eigens für den Musikzweig eine Leitungsstelle an der Schule vorhanden.

Soweit zum Rahmen, nun zum Problem:

Aus strukturellen Gründen musst du eine Leitungsstelle (teurer als „normale“ Lehrerstellen) einsparen. Neben dem/der Musikzweigleiter*in gibt es an der Schule Leitungsstellen für:
– dich selbst
– deine*n Stellvertreter*in
– die einzelnen Stufenleitungen (jeweils eine Stelle für Orientierungs-, Mittel- und Oberstufe)
– die allgemeine Koordination (v. a. für Schul- und Personalentwicklung)

Den Ruhestand erreichen zeitnah der/die Musikzweigleiter*in und der/die Mittelstufenleiter*in.

Wie gehst du vor?

a) Du überlegst dir, ggf. mit engen Vertrauten, wie du entscheiden möchtest. Deine Wahl fällt auf die Stelle der Musikzweigleitung, die du nun streichen wirst. Dies teilst du nach Abschluss der Entscheidungsfindung schließlich den an Schule beteiligten Gruppen (Schüler*innen, Lehrer*innen, Eltern) mit.

oder

b) Du erkennst, dass der Wegfall der Musikzweig-Leitungsstelle für dieses charakteristische Angebot der Schule gravierende Auswirkungen haben könnte. Daher informierst und beteiligst du frühzeitig alle Gruppen und ihre Interessenvertreter*innen (Schülervertretung, Schulelternbeirat, Personalrat). Ihr macht euch gemeinsam auf die Lösungssuche, diskutiert und wägt ab, bevor du deine Entscheidung fällst.

Schule – der Lebensraum, wo junge Menschen auf dem Weg zum/zur mündigen Bürger*in gerüstet werden sollen. Ich kann mir kaum einen besseren Ort vorstellen, an dem in vorbildhafter Weise demokratische Prinzipien wie Transparenz und Mitbestimmung vorgelebt werden könnten, an dem Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern lebendig diskutieren und (insbesondere entscheidende) Fragen gemeinsam angehen.
Diese Kultur müssen die Verantwortungsträger*innen an einer Schule allerdings ehrlich wollen und fördern.

Der geteilte Artikel legt nahe, dass es in diesem Fall leider anders abgelaufen ist. Und – nochmal leider – kann ich mir das nach jahrelanger SV-Arbeit an der TSS gut vorstellen.
(Wobei bemerkt sei, dass dieses Problem auch andere Schulen haben – oft frei nach dem Motto: Interessenvertretungen sind für Schulleitungen nur so lange wertvoll, wie sie brav bei der Projektwoche Kuchen verkaufen.)

Eine persönliche Anmerkung noch zur Sache selbst und nicht zum scheinbar misslungenen Ablauf:

Wäre nicht zumindest ergebnisoffen zu überlegen, ob nicht die (wichtigen) Aufgaben der allgemeinen Koordination auf viele Schultern in der Schule verteilt werden könnten, zumal diese fächerübergreifende Themen betreffen? Ein Verzicht auf die entsprechende Leitungsstelle könnte den Posten „Musikzweigleiter*in“ retten. (Das schreibe ich trotz nur mittelmäßiger musikalischer Begabung und großen Sympathien für Organisationsentwicklung.)
Bleibt es hingegen bei der aktuellen Entscheidung, müsste wohl vor allem die Musik- und damit eine einzige (!) Fachschaft den Wegfall „ihrer“ Leitungsstelle kompensieren, quasi ehrenamtlich. Ob das auf Dauer funktioniert …
Jedenfalls kann ich mir nur schwer vorstellen, dass dann diverse fachfremde Lehrkräfte zur Hilfe eilen und so plötzlich der Geschichtslehrer Probenpläne schreibt und die Sportlehrerin vor Konzertbeginn den Flügel stimmt, nachdem sie zuvor die Tontechniker eingewiesen hat.
Hier droht wohl eher das Ende des Musikzweiges, wie viele ihn kennen und schätzen – was für die TSS sowieso, aber auch die Husumer Schullandschaft ein deutlicher Verlust wäre, nicht jede*r steht auf altsprachliche Zweige und Naturwissenschaften.

Diesen Artikel der Husumer Nachrichten zu lesen stimmt traurig – besonders wohl die Musikfachschaft, ihren Leiter und die Schüler*innen und Eltern, die sich über Generationen hinweg in Chören, anderen Ensembles oder auch in organisatorischen Fragen mit Begeisterung im Musikzweig engagiert haben und es bis heute tun. Und er stimmt nicht nur traurig, weil es um den Musikzweig geht, sondern vor allem wegen der Art und Weise, auf die hier der Elternbeirat und daher vermutlich ebenso Schüler- und Lehrerschaft in Kenntnis gesetzt (!) wurden.

Viel Glück, Partizipation an Schulen!
Viel Glück, Musikzweig!