Wie sehen Sie Ihre Rolle als Schulleiterin?
Mir liegt vor allem daran, dass in unserer Schule ein gutes Klima herrscht, das für das Miteinander in unseren verschiedenen Rollen und Aufgaben förderlich ist: Ein Klima, in dem Schüler gern und effektiv lernen, Lehrkräfte gern unterrichten und Eltern mit uns an einem Strang ziehen, wenn es sich um pädagogische Signale handelt. Das setzt gegenseitiges Vertrauen aller Beteiligten voraus, das ich zu stärken versuche. Auch das Ministerium und der Schulträger haben in der Schule ein Wörtchen mitzureden und bestimmen Struktur und Rahmen für das, was sich lebendig entwickeln soll. Ich muss für unsere Schule, für unsere Schüler und Lehrkräfte für eine klimaverträgliche Umsetzung der Vorgaben und Bestimmungen sorgen. Ich bin also vielfach Mittler und möchte motivieren, auf dem Weg, den wir im Schulprogramm beschrieben haben, voranzugehen. Damit ist man nie fertig, das ist ein Prozess.
Wie bewerten Sie den Sprung von der Lehrerrolle zur Schulleiterrolle?
Ein Riesensprung! Auf der einen Seite verliert man die vielfache und intensive Arbeit mit Schülern. Eine Schulleiterin einer so großen Schule hat weniger Unterricht und daher ist der Kontakt nur zu weniger Lernenden so nah und intensiv. Und nichts ist ja schöner, als das Arbeiten mit jungen Leuten: mitzuerleben, wie sich Schülerinnen und Schüler entwickeln von der Sexta bis zum Abitur und durch mich als Lehrer etwas dazugelernt haben. Dieses schöne Erlebnis hat man als Lehrkraft eben vielfach intensiver, woraus man ja auch Kraft und Freude schöpft. Auf der anderen Seite aber bekommt man als Schulleiterin eine große Verantwortung für das pädagogische Geschehen, die Personalführung, Organisation, rechtliche Themen und Budgetangelegenheiten. Vieles wirkt oft weltlich im Vergleich zum Lehrerberuf, z.B. die Sanierung und der Bau von Fachräumen oder der Mensa usw. Sehr schnell gewinnt man aber Freude daran, dass man seine Wünsche und Ideen vervielfältigen kann. Wenn ich es zum Beispiel schaffe, gute Lehrer an die TSS zu holen oder sie hier zu halten, dann sorge ich mit dafür, dass plötzlich viel mehr Schüler einen guten Unterricht erhalten. Die „Hebelwirkung“ wird also gleichsam größer. Mit der Organisation der Förderungsgelder für die offene Ganztagsschule konnte ich genauso pädagogische Ziele verfolgen, für 900 Schüler gleichzeitig. Ich erreiche als Schulleiterin die meisten Schüler also nicht mehr so intensiv wie früher, aber dafür habe ich jetzt die Möglichkeit für alle etwas zu erreichen. Darüber freue ich mich. Ich freue mich am Ganzen und habe außerdem in einzelnen besonderen Situationen auch mit jungen Leuten in der Schule intensive Begegnungen, wenn es darum geht, zu raten, Konflikte zu glätten, zu beruhigen, zu trösten, aber auch aufzuklären und das Einhalten von Regeln im Miteinander einzufordern.
Welche Veränderungen an unserer Schule finden Sie gut?
Die Umgestaltung unserer Schule in eine Offene Ganztagsschule macht unsere Schule zu einem Ort, in dem nicht nur gelernt, sondern auch miteinander gelebt wird. Es kommt ganz natürlicherweise zu mehr Begegnungen und Gesprächen außerhalb des Unterrichts. Das hat sich „klimatisch“ schon ausgewirkt. Voraussetzung für gutes Lernen ist , dass ich den Ort mag und gern dort bin, wo ich lernen soll und dass mir Menschen dort freundlich begegnen. Dazu muss natürlich auch jeder selbst beitragen. Es gibt viele Veränderungen, die von außen kommen, z. B. die Einführung von Lernplänen. Schüler, Eltern und Lehrkraft begegnen sich als Partner in gemeinsamer Sorge und Verantwortung und schließen sozusagen einen kleinen Vertrag über ein Lerntraining ab – nach der Spezialdiagnose, die festgestellt hat, was der Lernende braucht, was ihm gut tut, was ihn fördert. Ich freue mich besonders über ein Projekt an unserer Schule, in dem Kursteilnehmer des Projektunterrichts Lernmethoden weitergeben an Unterstufenschüler. Das ist einmalig und eine sehr gute „Erfindung“ und eine TSS – eigene Lernform und Lernplan -Variante.
Zu Ihrem persönlichen Werdegang: Welche Etappen gab es auf dem Weg, Schulleiterin zu werden?
Zunächst war ich „einfach“ nur begeisterte Lehrerin, unterrichtete meine beiden Fächer Deutsch und Erdkunde zunächst in der Kieler Gelehrtenschule (KGS) , dann in der TSS Husum und dann wiederum in der KGS in allen Stufen, war immer Klassenlehrerin und Tutorin, machte Theater und Schreib-AGs, war Fachvorsitzende und Referendarsausbilderin. Das war eine sehr glückliche Zeit. Ich war jung, jung verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Dann ergab es sich, dass ich 2 Jahre im Ministerium arbeitete und unsere „Obrigkeit“ und die Verwaltung kennenlernte, was mir heute sehr nützlich ist für die realistische Einschätzung von Dingen und einen menschlichen und unkomplizierten Umgang mit meinen Vorgesetzten ermöglichte, wodurch sich für unsere Schule sicher mehr erreichen ließ.. Danach habe ich als Fachleiterin für Deutsch Referendare und Referendarinnen ausgebildet. Als Fachleiterin unterrichtet man außerdem in der Schule. (Hebbelschule Kiel)- Diese Ausbildungstätigkeit, die ich sehr erfüllend fand, nützt mir jetzt in meiner Tätigkeit sehr. Alle drei Etappen waren für meine Schulleiterrolle wichtig und unverzichtbar.
Gibt es ein besonderes Erlebnis in Ihrer Lehrerzeit?
Ja, es gibt viele und alle hängen mit Schüler-Schicksalen zusammen. Nie vergessen werde ich die erste Abiturprüfung, die ich abnehmen musste. Ein Schüler sollte in Deutsch geprüft werden und von der Prüfung bei mir hing für ihn das Abitur ab. Er hätte auch nicht mehr das Jahr wiederholen können. 8 Punkte musste er bekommen und das schaffte mir schlaflose Nächte beim Heraussuchen der Aufgaben. Immer wieder verwarf ich noch so schöne Aufgaben, weil ich fürchtete, dass er scheitern könnte. Er war ein „Typ“, der in Deutsch mal eine 2 (Inhalt 1) schrieb und mal das Heft in einer Klausur nach 5 Minuten zumachte mit dem Kommentar, er wisse nichts zu schreiben. Man musste auf Überraschungen gefasst sein. Die Prüfung begann mit einem Schock für mich: Die erste Aufgabe habe er verstanden, den Text in der 2. Aufgabe (modernes Gedicht) verstünde er nicht. Es lief mir eiskalt den Rücken herunter: Meine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Aber dann – nach der sehr guten Erledigung der 1. Aufgabe, kam die Überraschung: J. zeigte so akribisch genau und ehrlich auf, was er an dem modernen Gedicht irritierend und unverständlich fand, zeichnete die Leserführung derart gut nach, benannte alle lyrischen Phänomene und Konnotationen (Bedeutungsmöglichkeiten), dass das Prüfungsgremium für 15 Punkte war, was ich gar nicht vorzuschlagen gewagt hatte. Das war meine erste Abiturprüfung und Erfahrung mit einer ausgeprägten Schülerpersönlichkeit. Natürlich hat J. damit das Abitur locker geschafft.
Warum wählen Sie als Autorin vor allem das Gedicht als Ausdrucksform?
Für einen Roman habe ich bisher noch keine Zeit gehabt. Aber Prosaskizzen liegen als Manuskripte bei mir noch herum. Manche sind auch veröffentlicht. Aber Sie haben Recht: Ich bevorzuge Gedichte. Sie sind die komprimierteste Form, etwas zu sagen. Man kann mit einer Zeile oder einem Bild im Kopf unterwegs sein, die Wörter abklopfen, die Bilder befragen, kurz: mit der Sprache spielen und Sprachbeobachtungen machen. Hilde Domin, die bekannteste deutsche Lyrikerin der Gegenwart, fordert vom Dichter, dass er „Sprachhygieniker“ sei, dass er jedes Wort prüfen solle, ob es sagt, was es meinen soll. Es geht ihr um die Wahrhaftigkeit und Missbrauch von Sprache. „Jede kleine Verschiebung zwischen dem Wort und der mit dem Wort gemeinten Wirklichkeit zerstöre Orientierung und mache Wahrhaftigkeit unmöglich. Diese sieht Domin als Voraussetzung für politisches Handeln in einer demokratischen Ordnung an. (Hilde Domin: „Wozu Lyrik heute?“) Ein Gedicht von ihr spricht die Federung sehr knapp aus: „Wort und Ding lagen eng aufeinander die gleiche Körperwärme bei Ding und Wort“. Wir brauchen Wahrhaftigkeit im Gebrauch der Sprache aber auch für uns, wenn Lyrik – wie ich meine und fordere – eine entlastende Funktion für die Menschen haben soll. Denn als Autorin spreche ich meine Erfahrungen auch zugleich für andere aus, bin Sprachrohr für andere.
Seit wann schreiben Sie Gedichte?
Angeregt wurde ich vor allem durch den Lateinlehrer in der Schule, der uns aufgab, Horaz-Gedichte metrisch genau zu übersetzen. Über diese Art von Hausaufgaben konnte ich alle anderen vergessen. Immer wieder entstanden mal Gedichte in der Schulzeit und Studentenzeit. Intensiver begann ich damit nach dem Tod meines Mannes 1979 und den ersten Gedichtband veröffentlichte ich 1983. Den ersten Schüler-Gedichtband übrigens 1984. Wer ist Ihr Lieblingsdichter? Schwer zu sagen, je nach Gattung: Für Lyrik sind es Hilde Domin und Rilke, für Kurzprosa: Kafka, für Kurzgeschichten Heinrich Böll, für den Roman Fontäne und Thomas Mann, für das Drama kann ich mich schwer festlegen. Vielleicht Bertold Brecht. Na, und den großen Goethe – für alle Gattungen- habe ich jetzt ganz vergessen. Der Faust ist unübertroffen!
Wo werden die Schwerpunkte in Ihrer neuen Lebensphase sein?
Im Mittelpunkt wird das Schreiben stehen, das Veröffentlichen, das Lektorieren fremder Texte, das Organisieren von Lesungen, Werkstattarbeit mit Nachwuchsautoren, das Leiten von Schreibseminaren. Als erstes werde ich zu einem Arbeitsgespräch nach Polen fahren, wo ein Dozent begonnnen hat, Gedichte von mir zu übersetzen. Das ist ein spannender Vorgang, denn beim Übertragen wird noch einmal jedes Wort befragt und gleichsam auf den „Prüfstand“ gelegt. Ich werde auch mehr Zeit für meine 87 jährige Mutter haben, die zur Zeit ihr Leben aufschreibt, also eine Biografie für uns verfasst. Über Enkelkinder wäre ich auch nicht traurig. Das würde mich antreiben, ein Buch für Kinder zu verfassen.